Episode 3 oder: "In Offizieller Mission"

"Das ist genau der Punkt", schnauft der hochoffizielle Stadtverordnete, steckt sein Medaillon wieder ein und übergibt die inoffizielle Order. Garon Harpel nimmt das Dokument an sich, schielt auf das rote Lacksiegel der Obrigkeit und nickt. Der Elfen-Ranger Elandriel, der von Städten nichts und von irgendwelchen städtischen Instanzen schon gar nichts hält, wendet sich ab und blickt die dunkle Gasse hinunter. Derweil drängelt der Tymorapriester Fürchtegott seine Wampe an Sir Reginald vorbei, was den edlen Paladin allerdings nicht sonderlich kratzt; schließlich hat dem Priester keiner gesagt, daß es sich um ein extrem wichtiges Dokument und nicht um eine schriftliche Einladung zum Abendessen handelt. Leicht angerempelt wendet Garon Harpel ruckartig seinen Kopf und blickt den Priester grimmig an. "Das ist kein Hammel am Spieß! Und das Pergament schmeckt auch ganz bestimmt nicht wie Bananenpudding!"

"Dann werde ich mich mit Eurer Erlaubnis empfehlen, krächzt der Offizielle nach der Erledigung seiner inoffiziell offiziellen Aufgabe. Wir haben uns nie gesehen..."

"Und wenn wir in der Scheiße sitzen, sind wir auf uns selbst gestellt.", vollendet der Zwerg gelangweilt und blickt dem Mann hinterher, der im Schummerlicht der Gasse verschwindet.

"Ist doch komisch oder nicht? Bittet der Typ doch einfach wildfremde Reisende bei einer solchen Angelegenheit um Hilfe. Ich kapier nicht, warum das nicht die Stadtwache erledigt."

"Weil Ihr nicht die Spur einer Ahnung habt, Reginald.", meldet sich eine weibliche Stimme zu Wort. Aus dem Schatten heraus tritt eine in dunkles Leder gekleidete mit einem Umhang zur Unkenntlichkeit verhüllte Gestalt und schlägt die Kapuze zurück. Garon Harpel schluckt seine Spucke hinunter, wie immer, wenn er das lange blonde, wallende Haar sieht, das die entzückenden Wangenknochen der wunderhübschen Elfin umspielt. Fürchtegott, in erster Linie auf eßbare Leckereien fixiert, nickt ihr ohne verbale Komplimente einfach nur bestätigend zu. Der Paladin jedoch, der für die hübsche Elfin aus Berufsgründen nicht allzuviel übrig hat, bleibt stur. Daß man als Streiter der Gerechtigkeit überhaupt in der Gesellschaft dieser Frau reist, ist schließlich Demütigung und Zumutung genug. Sich von einer Diebin dann aber auch noch gleich zweimal beleidigen zu lassen - schließlich hatte die spitzohrige Edelschlampe wieder absichtlich seinen Titel weggelassen...

"Die Diebesgilde ist nicht ohne Macht und erst recht nicht ohne Beziehungen!"

"Was heißen soll?"

"Daß die Diebesgilde sofort Bescheid weiß, wenn die Wache aktiv werden würde, weil die Hälfte der Wächter mit kleinen Gefälligkeiten den ärmlichen Sold aufbessert.", erklart der Tymorapriester und blickt den Zwergen an. "Nun sieh schon nach, was da steht."

Garon erbricht das Siegel und streicht das Pergament glatt. "Genau wie er erklärt hat.", sagt er knapp und hält dem Priester das Pergament hin. "Da, siehste, da ist auch der Stempel und da die Unterschrift."

"Stimmt.", murmelt Fürchtegott. "Es ist demnach also wirklich so, daß die Chefin der Diebesgilde Beweismaterial für einen Mordanschlag unter Verschluß hält. Wenn wir da rankommen, dann kann das Attentat vereitelt werden. Dann kann man die gedungenen Mörder greifen und gleichzeitig auch die Diebesgilde zerschlagen."

"Und ich werde wieder ein neues Lied komponieren können, um unsere Heldentaten in die weite Welt hinauszutragen."

"N' bißchen Asche für ein neues Spruchbuch wär mir lieber.", nervt Avaarg.

"Nachher kriegen wir ja noch die andere Hälfte. Das macht dann insgesamt...", beginnt Garon.

"Klingt zwar nicht sonderlich schwierig, wenn ihr mich fragt, aber irgendwie finde ich die finanzielle Entlohnung für das Ganze dann doch nicht angemessen.", betont Sir Reginald.

"Gierknochen!", schimpft Avaarg de Noor.

"Das ist nur.."

"Für die Kirche, ich weiß.", vollendet Meistersänger ShylockAspenspring augenrollend und grinst. "Dämlicher Gierknochen!"

"Ruhe! Nicht, daß da einer zuhört.", mahnt Garon, während seine glänzenden Augen aus Gründen der Hochfinanz auf seinen Fingerspitzen ruhen.

"Eins vorweg. Das machen wir auf unsere Art und nicht auf deine. Klar? Du wirst nicht laut krakelend mit gezücktem Schwert in das Gasthaus rennen, das funktioniert so nämlich nicht.", schickt er hinterher und blickt den Paladin an.

"Man sagt, daß sie eine passionierte Schachspielerin ist.", erklärt der Barde, sich dem Thema wieder zuwendend und stößt dem nun wieder skeptisch dreinblickenden Magier seinen linken Ellenbogen in die Seite.

"Ein intelligentes Lebewesen verschwendet die Essenz nicht für irgendwelche Spielereien!"

"Ich spiele Schach.", meldet sich Garon. "Richtig gut sogar."

"Und ich wette, daß du gewinnst.", sagt Fürchtegott spitzbübisch.

"Dann kann ja nichts mehr schiefgehen, wenn schon ein Tymorapriester auf einen Harpel setzt.", betont Elandriel scheinbar wertneutral.

"Also folgendes", sagt Shylock und malt mit seinem Finger im Staub der Straße. "Hier in der ersten Etage ist der Schankraum, da ist die Vorratskammer. Also muß man irgendwo oben suchen, während der Zwerg zockt.

"Und dafür bin ich zuständig.", erklärt die elfische Diebin. Daraufhin macht man sich auf dem Weg zum heimlichen Hauptquartier der Diebesgilde, das in dieser Stadt so ziemlich jeder kennt. Die Chefin ist entzückt. Die Wetten stehen. Gespielt wird in einem Raum in der zweiten Etage.

"Ich muß mal gerade wo hin.", meint Garon, nachdem er merkt, daß die Diebin nicht weiß, wie sie den Raum verlassen kann ohne Verdacht zu erwecken. "Wo ist das?"

"Da raus, den Gang runter, letzte Tür links."

"Da raus..., hier nicht, da nicht", murmelt der Zwerg und blickt auf dem Weg zum Klo in jeden Raum. "Hier nicht... letzte Tür - rechts?", murmelt der Zwerg, betritt die Küche und gelangt schließlich zu einem Arbeitsraum.

"Was willst du denn hiert", brüllt ein Koch, der genau in diesem Augenblick seine Kochstelle umrundet und den Winzling ins Blickfeld kriegt.

"Äh, das Klo, wo ist das?"

Nach glorreicher Tat kehrt Garon zurück und flüstert der Diebin zu, wohin sie ihre Schritte lenken muß.

"Ich muß auch mal.", meldet sich die Elfin, was von einem leisen Stöhnen des Magiers begleitet wird. Dann verläßt sie den Raum, schließt die Tür, schleicht den Gang hinunter, linst durch den Türspalt, schleicht durch die Küche und in den Arbeitsraum hinein, Tür zu.

"Das Schloß will nicht. Das hier auch nicht.", flüstert die Diebin. "Nun aber los." Die letzte Schublade des Schreibtisches kriegt sie auf, und ihr Blick fällt auf eine Masse von Dokumenten, auf denen auch irgendwas draufsteht.

(Später wird Avaarg de Noor, seines Zeichens Invoker und selbst ohne Nutzen seines magischen Potentials ganzer vier Sprachen und drei Schriften mächtig, während Garon am Nachbartisch über dem Schachbrett schwitzt - eine nicht enden wollende Triade von Flüchen, Verwünschungen und Beleidigungen über der Diebin ausgießen, die in ihrem Leben halt nie Lesen gelernt hat.) Also steckt sie die Pergamente in ihren Wams, damit die anderen lesen können was da draufsteht.

(Das wird später dazu führen, daß der Magier während seiner zwar leisen aber dennoch massiven Huldigungen ihrer Fähigkeiten massive Rückendeckung der Freunde erfährt bevor Shylock der Elfin zugesteht, daß sie zwar recht ansehnlich, ansonsten aber wohl genauso hohl wie ein Bierfaß sei, wenn Garon es entdecken würde. wie gesagt, Garon sitzt am Nebentisch.)

Die Diebin ist schließlich entnervt, genau wie die Freunde, als sie erkennen, daß es sich dabei nur um die schriftliche Dokumentation der Schankbetriebeinnahmen handelt. Denn: Wie kriegt man das Material nun wieder an Ort und Stelle und kann danach noch weiter suchen? Genau in diesem Moment nämlich gelangt niemand mehr durch die Küche, weil der Koch was gemerkt hat, abgesehen davon, daß der ständige Toilettengang auch der Hausherrin langsam recht komisch vorkommt. Was bleibt?

Nach zahlreichen Flüstereien, grausamer Mimik, Augenrollen, Nägelkauen und der nötigen Informierung des Zwergen, gesteht Garon seiner Gegenspielerin schließlich, daß man eine Diebin mit sich herumschleppt, die gar nichts dafür könne, es manchmal aber halt nicht lassen könne. Dann übergibt er ihr, - froh, daß er das Spiel beenden kann, weil er es ohnehin verloren hat - die Unterlagen, während Fürchtegott sich am Kopf kratzt, weil er nicht versteht, warum seine Göttin seine Wette nicht unterstützt hat.

Die Chefin der Diebesgilde, gar nicht dumm, besteht auf die wahre Geschichte. Und nach zahlreichen Ausflüchten und Beschwichtigungen bleibt letztendlich nichts als die Wahrheit, was Avaarg und Shylock bedauern, der vor Rechtschaffenheit stinkende Sir Reginald jedoch - wie die beiden Freunde feststellen kopfnickend und dankbar quittiert. Die Chefin der Diebesgilde übrigens auch. Denn wie sich herausstellt, war der Auftraggeber zwar ein Hochoffizieller; ein hochoffizieller Dieb nämlich, der gerne den Platz der Chefin eingenommen hätte. Er mußte wohl gehofft haben, daß die Freunde bei dem Stöbern auffallen würden, und daß bei einem anschließenden Handgemenge die Chefin zu Tode kommen könnte.

Und die Moral von der Geschichte? Freunde, baut nicht allzusehr auf euer Glück! Wenn sechs PC's auf Siegel und amtliche Beglaubigungen starren, dann wäre es nicht übel, wenn wenigstens einer einen solch unbedeutenden Skill wie Heraldik auf seinem Charakterbogen stehen hat. Aber manchmal - wie geschildert - renkt sich das alles schließlich auch ganz von alleine wieder ein. With a little help and a great deal of mercy. Thanks DM!

H. Schoppmann

Verantwortlich für diese Webseite ist Andrea Wille zuletzt aktualisiert am 2. Januar 2000
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