Episode 4 oder: "Über das Schicksal der Blechdose"

Er kommt daher mit glänzender Rüstung, aufrecht im Sattel seines Schimmels sitzend, mit seiner linken Hand stolz das Visier seines Helmes aufschlagend, während die Rechte auf dem Knauf des magischen plus-irgendwas Schwertes ruht. "Weiche hinfort, Unhold der Finsternis, oder das Licht des Guten wird dich blenden und fesseln und dich von deiner unnützen, dem Licht frevelnden, Existenz erlösen!"

Ja, er ist es wirklich. Der Retter in der Not, der untadelige Recke und Streiter für Gerechtigkeit. Das einzige statthafte Synonym für uneigennützige Tapferkeit. Der niemals müde Verteidiger des wahren Glaubens. Er ist schon ein strahlender Held: niemals um blumenreiche Worte verlegen, intelligent, ungewöhnlich weise, von seiner Gottheit mit großer, ja fast charismatischer Ausstrahlung ausgestattet, natürlich schier unbesiegbar und auch - das war ja ohnehin sonnenklar - in seinem tiefen Glauben völlig unbestechlich. Tja. Soweit die ideale Beschreibung des Prototypen. Will nicht jeder so sein? In jedem Fall versuchen es viele. Und wieder einmal zieht ein Paladin mit Euch durch die Lande, führt einen furchtbar ehrenwerten und schwer zu merkenden Namen, besteht auf die richtige Betonung jeder einzelnen Silbe und zieht vollig entrüstet sein Schwert, wenn man ihn mal versehentlich falsch anredet oder er einen Witz falsch versteht!

So kann' s gehen, sogar noch schlimmer. Fragt Garon Harpel, Elandriel, Fürchtegott, Shylock Aspenspring und Avaarg de Noor, die kennen sich da aus. Denn Zwerg, Elfen-Ranger, Tymorapriester, Barde und Magier haben schon die ungewöhnlichsten Gestalten mit sich herumgeschleppt: angefangen von einem bei geringster Gefahr ständig flüchtenden Helm-Priester, (die Kondensstreifen an seinem Helm mögen dem Ansehen der - fur den Inbegriff der Furchtlosigkeit stehenden Gottheit sehr geschadet haben), über einen Zwergen namens Durin, der pauschal allem und jedem erst mal mit seiner Axt begegnete, oder auch einen ständig besoffenen Skalden bis hin zu, aber den hatten wir ja schon, einem Sekretär. Au warte!

Der Paladin, von dessen ruhmreichem Leben hier berichtet wird, ist eine ganz besondere Art von Held. In seiner Vergangenheit bewerkstelligte er das schier Unfaßbare, mit furchtlosem Blick, heldenhafter Haltung und von ungestümem Verlangen angetrieben, angesichts der unvorstellbaren Gefahren, die sich aus einer nahenden Konfrontation mit einem schier übermächtigen Gegner ergeben mußten, bei strahlendem Tageslicht einen steilen Hügel zu stürmen, in den Hort eines berühmt und berüchtigten Drachen einzudringen....

... und in dessen Abwesendheit dem noch ungeschlüpften Leben der Nachkommen den Garaus zu machen. Angesichts dieser wahren - und wirklich mit keiner Silbe übertriebenen - Heldengeschichte verdiente er es von Stund an wahrlich, in den stolzen Berufsstand der Wyrmslayer aufgenommen zu werden...

Leider aber kann sich der Magier - wie immer, wenn es um Charaktere geht, die mit dem Anspruch ewig zu leben und ständig gute Taten zu vollbringen auf den Realms wandeln - nicht mehr an den Namen des Recken erinnern. Aber auch die übrigen Charaktere hatten für den Helden, der sich selbst bei stürmischen Schiffsreisen oder auch dem Durchqueren von brennend heißen Wüsten niemals seiner strahlender Rüstung entledigte, einen treffenden Spitznamen. Die ständig in Lebensgefahr befindliche "Blechdose", die die sogenannte siebte Welle, die ein Schiff schon mal quer zur See stellen konnte, geflissentlich übersah und ohne mit der Wimper zu zucken die Atemluft aufsog, obwohl er nach dem Durchqueren des Glutofens in Calimport stank wie ein ganzer Schweinestall, fand jedoch, daß man ihm nicht den ihm gebührenden Respekt entgegenbrachte (was, zugegeben, in diesem fünfköpfigen Team wirklich keine leicht einzufordernde Angelegenheit ist).

So kam es, wie es kommen mußte.

"Du strahlender, furchtloser Held, sieh doch mal, ob sich in diesem Raum ein gar starker und gefährlicher Gegner befindet."

"Es könnte sein, daß diese Tür durch Magie oder andere böse Fallen gesichert ist. Man muß schon arg furchtlos sein, um diese Hürde zu nehmen."

Oder ganz lapidar:
"Blechdose nach vorn!"

Nun ja. Sollte all dies nicht den gewünschten Erfolg versprechen, dann überlassen wir es doch ganz einfach unserem Helden, seine eigene Geschichte zu schreiben. Zumindest Fürchtegott fand es schon arg komisch, daß die Blechdose sich in einem, einer anderen Gottheit geweihten Tempel, auf seine Knie niederließ und seinem eigenen Gott huldigte, was ihn (was er überhaupt nicht verstand) seine Paladinfähigkeiten kostete. Nun ist aber ein Gott, dem man auf die Füße pinkelt, indem man an einer falschen Stelle betet, für einen Meister des Kampfes natürlich noch lange nicht genug, und so startete die Blechdose eine ruhmreiche - wenn auch recht kurze Karriere mit einem zweiten Streich auf See. Durch unbedachte Äußerungen und Handlungen einen Meeresgott verärgert habend, besann sich das leuchtende Vorbild seines Berufsstandes darauf, daß auch andere Götter als sein eigener einen gewissen Stellenwert für sich beanspruchen und erwog den Meeresgott - mittels eines Fürchtegott bekannten Rituals - gütig zu stimmen. Eine gar kostbare Muschel sollte es sein, die stundenlang gereinigt und gesegnet werden mußte. Dann galt es, sie in einem wunderbar anzuschauenden Ritual auf ein kleines Floß zu setzen und auf den Wogen des Ozeans in die Unendlichkeit dahintreiben zu lassen. Wie es kam, daß die Blechdose die Anweisungen von Fürchtegott so mißverstand, daß er die Muschel in hohem Bogen vom Schiff in die Fluten warf - und dem Meeresgott somit zu verstehen gab, daß man auf sein Wohlwollen locker verzichten konnte - konnte anschließend kein einziges Besatzungsmitglied erklären. Vermutlich wollte das auch niemand, weil die Matrosen lauthals ein menschliches Opfer forderten.

Am Ende, einige Tage später, war es dann wohl doch kein Wunder, daß alle Versuche, einen Invisible Stalker zu turnen, seitens der Blechdose nicht den erwünschten Erfolg brachten, und unsere Blechdose irgendwie selbst geturnt wurde; vom Leben zum Tode nämlich. Und dann?

Im Kampf gegen das abgrundtief Böse seinen Verletzungen erlegen, begann letztendlich die Diskussion der übrigen Charaktere.

"Wir haben ja noch den Resurrection-Stab.", erinnerte sich der Magier-Priester-Kämpfer Garon Harpel. "Auch, wenn der nur noch für eine einzige Person eine Anwendung hat."

"Hat er ja nicht mal.", erinnerte der Priester den gutmütigen Zwergen. "Du bist zu teuer. Der Barde auch, Elfen kosten ohnehin schon mehr und selbst der Magier braucht drei Ladungen. Bleibt also tatsächlich nur meine Wenigkeit - schluchz, so wenig bin ich wert? - und der Paladin."

"Dann sollten wir ihn benutzen. Immerhin hat die Blechdose an unserer Seite sein Leben verloren.", schlug der überraschend edelmütige Garon Harpel vor, ohne auf große verbale Gegenwehr zu stoßen.

Als er dann aber in der Ausholbewegung, um den tapferen Krieger wiederzuerwecken, plötzlich das eindringliche Wort "NEIN" in seinem Kopf vernahm, gab ihm das zu denken.

Vermutlich wird es auf ewig ein Geheimnis bleiben, ob der Zwergengott Vergadain diese Aktion nicht guthieß, ob der stark genervte DM einfach nur die Lust verlor, oder ob der Magier dem Zwerg mittels eines "audible glamors" eine göttliche Eingebung vorgaukelte. Oder hatte da gar der Barde seine Hand im Spiel???

Sei es, wie es sei. Manchmal, zahlreiche Rollenspieler mögen mir da Recht geben, ist es einfach nur am besten so. Schließlich muß ab und an auch mal den Mitspielern Gnade zuteil werden...

H. Schoppmann

Verantwortlich für diese Webseite ist Andrea Wille zuletzt aktualisiert am 2. Januar 2000
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