Episode 6 oder: "Der Wald der ... na du weißt schon"

Ein zurückgekippter Stuhl prallt polternd auf die Holzbohlen, Avaarg de Noor steht in voller Größe im Gasthaus, mit dem Rücken an der Wand. Die Finger des Magiers vibrieren. Garon Harpel greift an seinen Gürtel, um seiner Axt habhaft zu werden, schockgeweitete Augen eines Tymorapriesters blicken gehetzt und wirr umher, Elandriel reißt in diesem größt möglichen aller Notfalle panisch einen Pfeil aus seinem Köcher und Meistersänger Shylock Aspenspring rupft seine Harfe von seinem Rücken, weil man in einem solchen Fall jegliche Unterstützung nötig hat.

"Wer hat das böse Wort gesagt?", fragt Garon Harpel entnervt, der die Situation als erster durchschaut und Entwarnung gibt.

Die zahlreichen Gäste im "Schlafenden Murmeltier" blicken fragend und verständnislos in die Runde. Nach einigen Augenblicken ist die Atmosphäre wieder entspannt. Avaarg kippt sich gelöst aufatmend einen Kräutertee hinter die Binde, froh, daß es sich um falschen Alarm gehandelt hatte, Garon hält es da schon lieber mit einem Humpen Zwergenbier, aus dem er nun einen sehr sehr großen Schluck nimmt. Fürchtegott findet auch wieder zu sich, was daran zu erkennen ist, daß er wieder Geschmack an seinem gebratenem Hühnchen findet. Elandriel friemelt seinen "Slay the dangerous one" wieder in den Köcher und stellt seinen Bogen an die Wand. Nur Shylock Aspenspring hält noch immer die Harfe in seiner Hand. Das aber liegt nur daran, daß er das Instrument auch gerne in harmlosen Situationen benutzt, um das Lied von den Ghoul-Party-Crashern oder auch irgendwelche Heldengeschichten von Blechdosen, HelmPriestern oder Sekretären von sich zu geben und sich auf diese Art einige zusätzliche Münzen zu verdienen oder die eine oder andere weibliche Bedienung für sich einzunehmen. Auch am Nebentisch vertiefen sich irgendwelche Leute wieder in das Gespräch von vorher:

"Und da sagt noch der Hannes, daß diese Fee..."

"Aaaah! Schon wieder!!!"

"Tötet ihn!"

"Keine Gnade!"

"Schneidet ihm seine Zunge heraus!"

"Silence!", bittet Fürchtegott und Tymora erhört die flehende Bitte ihres Priesters; der Mann am Nebentisch verstummt, obwohl er weiterhin seine Lippen bewegt und schließlich dumm aus der Wäsche guckt.

Überrascht? Nun, jeder Abenteurer hat seinen eigenen Angstgegner, und wenn man unsere Helden mit dieser Art von Geschöpfen konfrontiert - bitte sprecht die Bezeichnung dieser Bestien nicht laut aus - dann ist Hopfen und Malz verloren.

Es kommt schon mal vor, daß man sich, wenn man auch so gerne wollte, nicht mehr dazu durchringen kann einen liebenswerten Elfenkönig aufzusuchen, weil man dafür durch den aääh-Wald, na denselben Wald eben, den Wald, wo diese Bestien leben, na egal. Weil man dafür eben einen gefährlichen Wald durchqueren mußte.

"Ich habe keine Ahnung, was da mit dem Fritz passiert ist.", dringen Gesprächsfetzen vom Nebentisch herüber, "da hat der Fritz doch gerade bloß gesagt, daß der Hannes gesagt hat, daß diese Fee...."

"Aaaaaaahhhhhhh!"

"Silence!"

Und wenn einer von euch jetzt noch immer nicht weiß, warum sich später fünf Leute mittels Zeichensprache verständigen wollen:

"Geht nicht in diesen Wald, oder seid sehr vorsichtig. Wenn ihr schon geht, dann verlaßt niemals den Weg und nehmt bloß keine Geschenke an. Nehmt nicht mehr mit, als ihr bei euch habt, wenn ihr den Wald verlaßt. Faßt am besten erst gar nichts an Denn für alles, was man da tut oder erhält muß man irgendwann eine Gegenleistung bezahlen.", so der nützliche Tip eines Kundigen.

Der äääh-Wald war gespickt mit Rätseln und Abenteuern. Sei es, daß Garon einige Riesen mit seiner Axt freundlich überreden mußte, den Weg freizugeben, damit man den Pfad nicht verlassen mußte. Sei es, daß Avaarg eine Horde von Dieben mit einer Stinkwolke einnebeln mußte, um auf den verschlungenen Wegen zu wandeln, die bestimmt drei- oder viermal so lang waren, als wenn man einen normalen Wald dieser Dimension querfeldein nehmen würde. Da hätten ruhig riesengroße feuerspeiende Drachen oder Beholder kommen können. Wen juckte? Aber:

"Nein, das ist meine Flasche."

"Nein, meine!"

"Nee, meine!"

"Ich hab sie zuerst gesehen."

"Gar nicht wahr!"

"Wohl wahr!"

Hätte man sich doch einfach nur umgedreht und wäre gerannt so schnell die Füße tragen..., stattdessen:

"Könnt ihr mal ein bißchen Platz machen, daß wir da durchkommen?"

"Wieso?"

"Warum?"

"Weil wir auf dem Weg weitergehen wollen!", sagt Garon

"Wozu?"

"Wohin?"

"Einfach weiter!", erklärt Avaarg.

"Na gut."

"Nein!"

"Na, was denn nun?", will Shylock wissen.

"Nein, das ist meine Flasche!", kreischt die erste Bestie. "Nein, meine."

"Gar nicht wahr, meine!"

Und während der schwachsinnige Sekretär verzweifelt versucht, die Goldmünzen wieder loszuwerden, die wie zufallig am Wegesrand lagen, und Garon ihm sagt, daß er die Münzen schließlich in seinen Besitz genommen habe und sich daran auch nichts ändern würde, wenn er sie irgendwo in der Wallachei entsorgt, versucht der Rest der Gruppe die beiden winzigen Bestien davon zu überzeugen, daß sie den Weg freigeben.

"Nie!"

"Wie, nie?", fragt Fürchtegott.

Nie! Das ist meine Flasche!

"Nein, meine!"

"Du lügst, meine!"

"Gar nicht wahr, meine!!"

"Aaahhh!!!", brüllt Garon. "Was ist jetzt? Gebt ihr den Weg frei?"

"Nie! Das ist meine Flasche!"

"Nein, meine!"

"Tötet sie!", kreischt der schwer atmende Magier.

"Du warst noch gar nicht da, da hat die Flasche schon mir gehört!"

"Das träumst du bloß!"

"Nein, ich hab sie zuerst gesehen."

"Nein, ich!"

Stunden später......

"Was ist nun?", brüllt der Zwerg verzweifelt. "Was müssen wir denn tun, damit ihr uns durchlaßt?"

"Wir lassen euch nur durch, wenn ihr entscheidet, wer die Flasche bekommen soll."

"Oh, scheiße!", kommentiert Elandriel.

"Wer hat sie zuerst gesehen?", fragt der Sekretär. Avaarg rollt seine Augen:

"Tötet ihn!"

Der Sekretär blinzelt verwirrt. "Aber ich habe doch nur...

"Halt's Maul, dumme Nuß!", befiehlt Shylock.

"Und zwar sofort!", fügt Garon hinzu.

"Kann ich die Flasche mal sehen?", fragt Shylock Aspenspring.

Die Bestien fixieren den Barden und blicken sich dann gegenseitig an.

"Die wollen uns die Flasche abnehmen!"

"Wir haben sie zuerst gesehen!"

"Aha!", triumphiert Garon, der vermeintlichen Lösung auf der Spur.

"Nur, daß ich noch ein bißchen schneller war.", sagt das erste Monster.

"Stimmt ja gar nicht!"

"Stimmt wohl!"

"Ich nehme mir das Leben!", stöhnt Avaarg.

Eins der Monster blickt kurz auf, sieht dem Magier ins Gesicht und scheint zu grübeln. Dann aber blickt es wieder das andere Monster an.

"Schluß jetzt, die Flasche gehört mir."

"Spinnst du? Die gehört mir!"

"Kann sie nicht euch beiden gehören?", fragt Fürchtegott lakonisch.

"Nee, wieso, wo ich sie doch zuerst gesehen habe?"

"Ich war das, nicht du!"

"Du hast noch geschlafen, da habe ich sie schon gesehen!"

"Aber ich habe sie gestern vorm Schlafengehen schon gesehen!"

"kann ich sie mir nicht mal ansehen? Nur ansehen! Ich fasse sie auch gar nicht an.", erklärt Shylock. "Ich will bloß mal dran riechen, um rauszukriegen, was denn da eigentlich drin ist."

Shylock erkennt schließlich, daß die Flasche mit Spiritus gefüllt ist und versucht die beiden Gestalten davon zu überzeugen, daß das Zeug gefährlich ist, schließlich könnte man damit den gesamten Wald abbrennen. Allein: auch das half nicht.

Nur gut, daß die Freunde letztendlich - nach Kübeln von Schweiß, trockenen Kehlen und blank liegenden Nervenenden - schließlich feststellten, daß sie eine Flasche mit einem Rätsellaser, nämlich einem leckeren Nektar, dabei hatten! Gerade noch rechtzeitig, weil Garon mittlerweile mit dem Gedanken spielte den gesamten Wald abzufackeln, und der die Natur liebende Elfen Ranger ihn nicht mit einer Silbe davon abhalten wollte, sondern ihm einfach den Rücken zuwandte und seine Augen schloß. Letztendlich wünschte sich ein jeder Abenteuerer, mal an einen Schießstand zu gelangen, an dem man ungestraft auf solche Bestien würde schießen können. Thanks, DM!!!!

HolgerSchoppmann

Verantwortlich für diese Webseite ist Andrea Wille zuletzt aktualisiert am 2. Januar 2000
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