Episode 7 oder: "Alte Bekannte"

"Das ist weit ab von offiziellen Routen. Es wäre schon ein Wunder, wenn Ihr dort auf Räuber treffen würdet", beteuert die Auftaggeberin. "Ob ihr nun den vermeintlich weniger gefahrliehen Weg zu Wasser oder aber den kürzeren Weg durch die Wüste nehmt, ist mir egal. Hauptsache ihr kommt an. Wie gesagt: Nur wenn Ihr die Bibliothek findet und mir alle Bücher bringt, dann bekommt ihr den Teleporter-Stein."

"Dann nehmen wir den schnellen Weg quer durch die Wüste", schlagt der Magier vor, was auf breite Zustimmung stößt. Also reist die Truppe in Calimshaner Nationaltracht, also möglichst heller Beduinenkleidung, die zugegeben - für jeden Abenteuerer aus einzigartigen, ja sündhaft teueren Stoffen erlesener Qualität gefertigt wurde, und mit den ansonsten üblichen wallenden Kratzwolleumhängen und Fließbandturbanen wenig gemein hat, quer durch die glühend heiße, sandige und steinige Wüste und auf ein großes Abenteuer zu. Ihr ahnt es: Also doch Diebe! Nach einem winzigen, kaum erwähnenswerten Intermezzo liegen dann nach zwei Lightning Bolts und einem Fireball siebzehn verkohlte Diebe im brennend heißen Wüstensand. Während sowohl Avaarg de Noor wie auch Garon Harpel zufrieden grinsen - endlich einmal nicht in irgendwelchen Katakomben, sondern in der freien Natur, wo man so richtig "rumbrutzen" kann, ohne von abgelenkten Lightning Bolts selbst erwischt zu werden - beugt sich der Tymora-Priester Fürchtegott über einen der wüstenkundigen Führer, der direkt zu Beginn von einem Pfeil erwischt wurde und mit Hilfe der priesterlichen Zuwendung und der Gnade der Göttin gerade das Bewußtsein wiedererlangt. Und während Elandriel zufrieden registriert, daß einer seiner beiden Pfeile wiederzuverwenden ist, vernehmen die beiden Magiebegabten grinsend die noch immer erstaunten, von Bewunderung geprägten, hektisch und exotisch klingenden Situationsschilderungen der anderen Führer, die den zuvor Ohnmachtigen ins Licht setzen.

"Mahala hulp, jardipp, hamal, hurka. Zzisch. Buuuum! Boooh ey!"

Die Achtung gegenüber den Fremden scheint ins Unermeßliche anzuwachsen, was nach zuvor üblichen, zahlreichen und abfällig klingenden Bemerkungen in deren Landessprache, begleitet von lästernden Blicken, nun umso auffaltiger ist. Währenddessen erblickt der neue Weggefahrte, ein Zwergen-Kämpfer-Priester der Heil- und Schutzgöttin Beronnar Truesilver namens Seamus Brasseye, der zu der Gruppe stieß, um den ermordeten Barden Shylock Aspenspring zu rächen, zwischen den Felsen am Horizont ein merkwürdiges Gebilde, das sich beim Näherkommen als eine halb verfallene alte Festung entpuppt.

Eine völlig verhüllte, den Tippelschritten und anmutigen Bewegungen nach zweifelsfrei als weiblich zu identifizierende, Gestalt zieht gerade einen Eimer aus dem Brunnen, als die Freunde unterhalb des Torbogens erscheinen. Weil der Magier keinen Bock hat nach dem gerade beendeten "Barbeque" seinen letzten frei wahlbaren Dritt-Level-Spruch mit einem "Tongues" zu verschwenden, - wer weiß schon, ob es neben den siebzehn gegrillten vielleicht noch weitere Diebe gibt muß das gebrochene Common der Fremden ausreichen. Sie bietet den Reisenden Wasser an, antwortet auf Garons Frage, daß ihr Mann bald wiederkommen muß, und: richtig! Während Garon Harpel sich - nach Anmerkung des DM - fragt, was denn hier so komisch riecht, erkennen die wachsamen Augen des Rangers, daß da zwei Gestalten auf das halb verfallene Kastell zuhalten. Durch die schmalen Sehschlitze der Turbane schielen alsdann zwei zusätzliche, vorsichtig musternde Augenpaare auf die fünf reich gekleideten Ausländer. Die Ausländer schielen ihrerseits durch ihre schmalen Sehschlitze zurück, während der kleinste Ausländer, der Zwerg namens Garon Harpel nämlich, seine Stimme erhebt, sich vorstellt und nach einem Nachtlager fragt. Einer der Ankömmlinge lenkt seine Schritte vorsichtig nickend an die Seite der Frau, wogegen der andere noch immer mit zusammengekniffenen Augen in Richtung derGruppe blickt.

"Kennst Du uns etwa?"

"Ich kann Euch ja nicht sehen.", antwortet der am Tor verbliebene Fremde dem Zwergen. Daraufhin zieht Garon Harpel den Schleier zur Seite und der Fremde nimmt Tempo auf.

"Hey, halt! Oder..", beginnt Garon, aber da hat der gewandte und blitzschnell reagierende Elfenranger schon ein Lasso geworfen und hindert den "Komiker" an seiner Flucht.

"Wollen mal sehen, was du für einer bist.", meint Garon, zieht dem Fremden die Kapuze vom Kopf und traut seinen Augen nicht. "Ein Ghoul?"

"Tut mir nichts! Bitte, bitte, tut mir doch nichts! Gnade! Bitte tut mir nichts! Wir haben auch wirklich niemals mehr jemanden zum Geburtstag eingeladen!"

Fünf Augenpaare blicken sich gegenseitig verwundert an, dann die plötzliche Erkenntnis und Erinnerung an die kurzweilige Auseinandersetzung mit einer Unmenge von Ghouls und deren Meissszzzzter, der im letzten Jahr irgendwo weit im Norden gerade noch den 200sten Geburtstag hatte feiern können, weil die respektlose Bande von Untoten sich die Freunde als Abendessen eingeladen hatte. Der Wußte also von der witzigen Fete? Zweifelsohne war dann also doch einer davongekommen!

"Ich bin doch nur auf Besuch bei meiner Familie, und ich bin ganz brav. Ehrlich. Ich geb' euch auch mein Geld..."

"Das du ganz ohne Zweifel von deinem letzten Opfer hast?", fragt Garon und blickt auf die wenigen Silber- und Kupfermünzen, die der Ghoul ihm hinhält.

"Und Zwar? Wo gestohlen? Wen zum Geburtstag verspeist?"

"Oh nein. So etwas machen wir schon lange nicht mehr. Ist zu gefährlich...", beginnt der Ghoul und fährt fort: "Das ist alles schwer verdientes Geld."

"Gearbeitet? Verdient?", fragt Garon verwirrt. "Wo?"

"Im Norden, in der Mine mit flüssigem Metall."

"Du, ein Ghoul, arbeitet in einer Mine?"

"Viele Ghouls.", vernehmen die 'Party-Crasher' von einst eine zaghafte Antwort. "Nach dem Geburtstag vom Meisszzzter wollten viele anders leben als vorher. Und deshalb überfallen wir keine Menschen mehr, sondern verdienen das, was wir zum Leben brauchen, in der Mine."

"Ganz schön wenig Geld für so 'ne scheiß Arbeit.", meint der Elfenranger Elandriel mit einem Blick auf die Münzen. "Vielleicht solltest Du Dich mal bei 'ner Gewerkschaft über den Hungerlohn und die Arbeitsbedingungen in einen Quecksilbermine beschweren."

"Und Du ißt auch keine Menschen mehr, und auch keine Zwerge?", fragt Garon noch immer ungläubig.

"Oh nein, das machen wir nicht mehr. Wir kaufen Fleisch und andere Dinge von dem, was wir verdienen."

"Ein Ghoul wird Vegetarier.", prustet Fürchtegott los.

"Von dem, was Du in einer Mine verdienst?", kommt Garon Harpel grinsend wieder zum Thema zurück.

"Ja!", bestätigt der Ghoul kopfnickend. Bitte, tut mir nichts."

"Und der Chef in der Mine weiß, daß ihr Ghouls seid?"

"Ja."

"Den müßte man sich mal ansehen.", findet Garon, woraufhin sich der Magier nach dem Namen des Chefs erkundigt - für alle Fälle.

"Und die Leute, die das Eßbare verkaufen, wissen, daß ihr Ghouls seid?", will Elandriel wissen.

"Nein."

"Klar.", erkennt Elandriel. "Hier in der heißen Wüste in Calimshan kann man die Leute aufgrund der Kleidung ja ohnehin nicht erkennen." - "Und bei der Hitze und der seltenen Körperpflege riecht man halt schon mal streng, da fallt das nicht auf.", fährt Fürchtegott fort.

Der Ghoul nickt.

"Hier mach ich nichts, das geht gegen meine Ethik.", verkündet Avaarg de Noor verwundert den Kopf schüttelnd, verschränkt seine Arme vor seinem schmächtigen Oberkörper und lacht kehlig. "Wenn das nicht mal 'n Erfolg ist."

"Ich weiß nicht, was ich machen soll.", sagt Garon sinnierend. "Das ist immerhin ein Ghoul, aber den kann ich doch nicht verprügeln."

"Außerdem ist das 'ne tolle Werbung. Ein Ghoul ändert sein Leben nach einer Begegnung mit uns.", bemerkt Avaarg.

"Ein Ghoul wird solide.", schmunzelt Elandriel.

"Nicht einer, viele!", erklärt Garon.

"Nicht wahrt", merkt Fürchtegott an. "Da fühlt man sich wie ein sich sorgender und immens erfolgreicher Sozialarbeiter. "

"Nenn mich bloß niemals so!", beschwört der Magier den Priester und grinst.

Auch der Magier-Kampfer-Priester-Zwerg Garon Harpel sieht sich letztendlich völlig außerstande, hier Hand anzulegen und der andere Kampfer-Priester-Zwerg, der Champion Seamus Brasseye versinkt in Meditation und nimmt nach einem Stoßgebet zu seiner Gottin die gleiche Haltung ein.

"Also immer schön artig sein.", raten die Freunde den Ghouls. " Sonst feiern wir Geburtstag. Und wie ist's jetzt mit einem Nachtlager."

Kopfnickend, mit ängstlichen Gesichtsausdrücken und bebenden Nasenflügeln beteuern die Ghouls ihre Gastfreundschaft.

"Gut, daß unsere Begleiter das hier nicht sehen.", stellt man einvernehmlich grinsend fest und ist froh, daß die wüstenkundigen Führer draußen - am Ort des Gemetzels - ein Lager aufgeschlagen haben. Elandriel nämlich bringt' s auf den Punkt: "Erst grillen die Fremden siebzehn Diebe, obwohl die Hälfte nach dem ersten Lightning-Bolt schon die Flucht ergreifen wollte, da gibt 's nicht die Spur von Gnade, und dann läßt man Ghouls, stinkende Untote, gefährliche Monster am, ah: NichtLeben."

Oder sollte ich besser sagen: "in Frieden". In dem Zusammenhang namlich muß mal festgestellt werden: Gnade ist... manchmal auch, wenn gar nichts anderes mehr geht.

H. Schoppmann

Verantwortlich für diese Webseite ist Andrea Wille zuletzt aktualisiert am 2. Januar 2000
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